Heutzutage sitzen doch alle die meiste Zeit. Sie sitzen beim Fernsehen, am Rechner, in der Schule, in der Bahn. Der Körper wird vernachlässigt und rächt sich, wird schwerfällig, unbeweglich und unförmig. Auch ich habe lange darunter gelitten. Ebenso lange habe ich aber den Gegentrend dazu beobachtet: Parkour und Freerunning.
Erst kürzlich schrieb ich einen Beitrag darüber wie in Kalifornien bereits eine Sporthalle dafür umgerüstet wurde. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber noch nicht einmal gewusst, dass Parkour und Freerunning eigentlich nicht das selbe ist, sondern zwei gegensätzliche Facetten einer ursprünglichen Sportart.
Während Parkour vor Allem auf Eleganz und Leichtigkeit mit der Hindernisse überwunden werden ist Freerunning eine Art Akrobatik die auf möglichst spektakuläre Effekte setzt.
Eigentlich wähnte ich mich zu alt für Parkour und war sehr traurig darüber. Bis ich zufällig einen Gleichaltrigen Mitte Dreißig traf und zwar beim Training an einer Mauer. Ich sprach ihn an, er sagte mir sein Alter und von da an gab es kein Halten mehr. Seitdem trainiere ich unter der Woche beinahe täglich. Das ist jetzt vielleicht knapp 3 Monaten her, ich schätze ca. 10 Wochen oder mehr habe ich trainiert, zu zweit oder auch allein. Ich kann nur sagen,
es ist anstrengend und macht glücklich.
Es hat ca. zwei Monate gedauert bis ich die einfachsten Übungen geschafft habe. Bei den Kraftübungen schaffe ich inzwischen teils 5 mal so viele Durchgänge und trotzdem schwitze ich jedes mal wie ein Schwein obgleich das Wetter dieses Jahr nicht mal wirklich heiß ist.
Ich habe in der Zeit mich ganz auf die Praxis konzentriert und keine coolen Videos mehr online geschaut. Diese sind gut für die Motivation vor Trainingsbeginn doch dann würden sie eher frustrieren denn zu Anfang stellte ich fest, dass ich steif, kraftlos, unbeweglich und mit einem Mangel an Balance gestraft war. Von Eleganz und Akrobatik ganz zu schweigen.
Doch die vergangenen 10 Wochen haben mir gezeigt, dass selbst ein alter Sack wie ich es schaffen kann.
Heute habe ich zum ersten Mal seitdem über Parkour im Internet recherchiert. Es stellte sich tatsächlich heraus, dass der Erfinder des Parkour, David Belle sogar noch älter ist als sich und dennoch weiterhin als einer der bester Traceure weltweit bezeichnet wird. Doch beim Parkour geht es nicht darum der Beste oder besser zu sein als andere. Es geht darum das beste aus sich selbst heraus zu holen.
Dabei ist es nicht nötig ein Extremsportler zu sein.
Ich bin am weitesten davon entfernt. Ich fahre nicht mal Skateboard, BMX oder Ski. Zu Anfang hatte ich Bedenken wegen der Verletzungsgefahr doch inzwischen bin ich überzeugt, dass diese sogar geringer ist als bei den oben erwähnten Sportarten. Ich habe mir zwar ein Paar blaue Flecken, Abschürfungen und Überdehnungen geholt, so dass ein Paar Tage mal gehumpelt habe aber das waren eher die Ausnahmen und ergaben sich aus Unachtsamkeit, weil ich abgelenkt und unkonzentriert war bzw. zu schnell neue Übungen probierte.
Jetzt fühle ich mich langsam so weit irgendwo mit zu trainieren wo mehrere Leute das machen denn der Anfang ist auch schlicht peinlich solange die Kraft und Geschicklichkeit nicht mal für die Grundlagen reicht. Jetzt erkenne ich auch langsam meine Grenzen und zwar eher dort wo es einer Anleitung bedarf nicht unbedingt wo etwas zu hoch ist.
Das beste an Parkour ist auch, dass es nicht nur ein Sport ist für den Urlaub einmal im Jahr und auch keine permanenten Ausgaben verlangt.
Es geht eben nicht nur darum Dinge zu kaufen und coole Outfits zu tragen. Eins bereue ich nur, dass ich nicht früher mit Parkour angefangen habe. Ich habe es zu spät mitbekommen und selbst dann hat es Jahre gedauert bis ich mich überwunden habe. Macht diesen Fehler nicht, fangt jetzt mit Parkour an solange Ihr noch 14, 16, 18, 20, 24 oder 30 seid. Dann seid Ihr in meinem Alter längst Profis wie David Belle.
Parkour ist zudem mehr als ein Sport, es ist die Kunst beweglich zu sein. Körperlich und geistig.
Auf Parkour Generations habe ich ein Video gefunden was weniger die zusammengeschnittenen Stunts zeigt als die tatsächliche Praxis beim Training. So sieht das zunächst ganz lange für die meisten aus. Was die Profis machen muss nicht jede/r gleich können.
* Bild von JB London.
1 Reaktion ↓
1 geistreichgeist // 10. 9. 2011 um 16:28
Sehr, sehr schöner Artikel. Ich hatte vor einiger Zeit den Andrang richtig loszulegen, aber irgendwie habe ich mich nicht dazu bewegt bekommen. Deine ehrliche Ansicht bringt mich jedoch erneut dazu. Ich bin 22 und muss mich auch beeilen. Wie oft steht, sitzt oder liegt man einfach nur rum und fragt sich was man tun soll, wobei man nur mal auf sich selbst achten muss. Den Körper und den Geist zu trainieren ist immer wichtig. Und Zeit dazu fänden die meisten, wenn sie sich motivieren könnten. Danke jedenfalls! Sowohl dafür dass du deine Erfahrungen teilst, als auch für die wundervollen Videos.